Hendrik Kafsack

Die Legislaturperiode des Europäischen Parlaments geht dem Ende
entgegen. Ende Mai finden die Wahlen statt. Umso mehr drängt die
Zeit, wichtige Gesetzesvorhaben zum Abschluss zu bringen. Zwar
gibt es auf Ebene der EU keine Regel, dass nicht erledigte Vorhaben
dann verfallen. Die nächste EU-Kommission, die im Herbst ihre
Arbeit aufnehmen dürfte, ist aber frei darin, nicht verabschiedete
Vorschläge für Verordnungen oder Richtlinien zurückzuziehen. Das
erklärt das Engagement, mit dem die österreichische Regierung, die
die Geschäfte im Ministerrat bis Ende Dezember 2018 geführt hatte,
zum Ende ihrer Amtszeit als Ratspräsidentschaft ein Dossier nach
dem anderen durchpeitschte. Die Österreicher mögen keine sehr
gute Figur als Ratspräsidentschaft gemacht haben. Den Rumänen,
die die Geschäfte seit Januar führen, traut in Brüssel aber kaum
jemand mehr zu.
Einigung bei der Strommarktreform
In der Energiepolitik stach dabei die Einigung zur Reform des Strommarktes
kurz vor Weihnachten heraus, dem letzten nicht verabschiedeten
Kernthema aus dem Winterpaket 2016. Ziel der Reform war,
die Regeln von 2009 an den steigenden Anteil erneuerbarer Energien
an der Stromproduktion anzupassen. Besonders umstritten war
dabei, wie die Staaten mit den zunehmenden Schwankungen in der
Stromproduktion umgehen sollen. Die Mitgliedstaaten, allen voran
Polen, drangen darauf, möglichst lange auch auf Kohlekraftwerke als
Backup für wind- und sonnenarme Zeiten zurückgreifen zu können.
Die Kommission indes wollte die Förderung dieser Kraftwerke von
2021 an schrittweise verbieten, wenn ihre Emissionen jährlich über
550 Gramm Kohlendioxid je Kilowattstunde liegen. Die Unterhändler
von Europaparlament und Ministerrat einigten sich letztlich auf
den Vorschlag der Kommission. Auch bestehende Kraftwerke dürfen
damit von 2026 an keine Beihilfen mehr bekommen.
Das gilt allerdings nicht für Subventionen für Backup-Kraftwerke,
die schon vor 2020 bewilligt wurden, wie Klimaschützer kritisieren.
Damit können faktisch bis in die dreißiger Jahre hinein Subventionen
an Kohlekraftwerke mit einem Ausstoß von mehr als 550 Gramm
fließen. Nicht durchgesetzt hat sich die Kommission in der Frage, wie
die Staaten den Bedarf an Backup-Kraftwerken feststellen können.
Die Brüsseler Behörde wollte die Hürden für die Subventionierung
von Kraftwerkskapazität anheben. So sollten die Staaten nach ihrem
Vorschlag stärker berücksichtigen, ob Engpässe durch den Stromimport
aus anderen Mitgliedstaaten ausgeglichen werden können.
Nach dem nun erzielten Kompromiss dürfen sie nun weiter vor allem
dem nationalen Bedarf als Grundlage heranziehen.
Darüber hinaus wird mit der Reform der grenzüberschreitende
Stromhandel erleichtert und damit auch der Wettbewerb gefördert.
Von 2026 an müssen die grenzüberschreitenden Verbindungen zu
mindestens 70 Prozent geöffnet sein. Heute drosseln sie die Betreiber
oft, um ausländischen Strom aus ihrem Netz herauszuhalten.
Praktisch im Vorgriff darauf stellte die Kommission im Dezember ein
Wettbewerbsverfahren gegen den Netzbetreiber Tennet ein, nachdem
dieser zugesagt hat, die Kapazitäten für den Stromhandel zwischen
Dänemark und Deutschland erheblich zu erhöhen – auf 75 Prozent
der technischen Kapazität.
Verfehlen sie die Vorgaben, kann die Kommission die betroffenen
EU-Mitgliedstaaten zwingen, verschiedene Preiszonen einzuführen,
etwa eine Preiszone für den Norden und eine für den Süden Deutschlands.
Im windreichen Norddeutschland könnte es dann einen niedrigeren
Strompreis geben als in Süddeutschland, wodurch Anreize
für Investitionen etwa in den Ausbau der Netze und der erneuerbaren
Energie im Süden gesetzt würden. Der Einspeisevorrang für
erneuerbare Energiequellen gilt künftig nur noch für Kleinanlagen
mit einer Kapazität von 400 Kilowatt. Von 2026 an sinkt die Schwelle
auf 250 Kilowatt.
Erleichterungen für Verbraucher
Auch für die Verbraucher enthält die Neuregelung einige Neuerungen.
Von 2026 an sollen sie überall in der Europäischen Union
den Stromanbieter innerhalb von 24 Stunden wechseln können.
Intelligente Stromzähler und kostenlose Preisvergleichsportale im
Internet sollen ihnen erleichtern, Energie und Kosten zu sparen.
Zudem sollen Verbraucher, die etwa mit Solaranlagen auf dem Dach
selbst Energie produzieren, diese leichter ins Netz einspeisen und
damit Geld verdienen können. Um Haushalte mit niedrigen Einkommen
vor „Energiearmut“ zu schützen, dürfen die Staaten zumindest
vorübergehend weiterhin eingreifen und die Strompreise begrenzen.
Solche Interventionen wollte die Kommission eigentlich abschaffen.
Die Mitgliedstaaten haben den Kompromiss im Januar schon
gutgeheißen. Nun muss noch das Europaparlament auch offiziell
zustimmen. Das dürfte aber reine Formsache sein.
Zukunftsmusik hingegen dürften die Pläne der Kommission zur
Aufwertung der Rolle des Euro auf der Welt sein. Die Kommission
hat dabei allem voran die Energiepolitik im Blick, wo 80 Prozent
der Einfuhr in Dollar beglichen werde, wobei nur 2 Prozent aus
den Vereinigten Staaten kämen, wie sie bemängelt. Zunächst einmal
sollen nun die Marktteilnehmer befragt werden.